Ein Kapitel Mesumer Geschichte lebendig werden lassen

Spürbar werden sollte, führte eingangs Susann Kampling als Autorin, Komponistin und Spielleitern in das Thema ein, wie notwendig der Kirchneubau vor 125 Jahren und wie selbstverständlich es damals für die Menschen in Mesum war, mit unbeirrbarem Glauben, sichtbar im regelmäßigen Gottesdienstbesuch und tief verwurzelt in einem unerschütterlichen Vertrauen auf Gott, diese für sie anfänglich schier unmögliche Aufgabe anzugehen und zu meistern. Dieser Zeitgeist als Ausdruck einer starken Gemeinschaft sollte, in die Gegenwart übertragen, als kraftvolle Motivation auf die Bühne gebracht werden.
Das dies vollauf gelang, dafür entwickelte das Publikum in der bis auf den letzten Platz besetzten Kirche alsbald ein feines Gespür: Hier spielten Mesumer für Mesum, gaben ihren Vorfahren Gestalt und Stimme, hier agierte mit greifbarer Begeisterung eine Gemeinschaft von insgesamt 70 Akteuren vor, auf und hinter der Bühne, die im Laufe der Probenzeit gemeinsam immer wieder neue Ideen ins Spiel einbrachte. Sie alle ließen von der ersten Minute an keine Zweifel daran, dass es hier für sie um ihre Geschichte vor der eigenen Haustür ging, geprägt von früheren Familienangehörigen. Bewundernswert war, mit welch schlichter Requisitenausstattung, aber umso größerer Liebe und Sachkenntnis zum lokalhistorischen Detail in jeder Szene das Bühnenbild samt Kostümausstattung ausgestaltet war.
Das begann mit der Schulklasse um 1875, wo neun Schuljungs – allesamt junge Sänger aus dem Maxi-Chor – mit klappernden Holzschuhen zu ihren engen Schulbänken liefen und sich, wie damals üblich, schnell vom Lehrer Schwenniger (Klaus Overesch) streng disziplinieren ließen. Dabei wurde erstmals deutlich, wie ausgezeichnet Susann Kampling mit einfachen, aber sehr überzeugenden Regieeinfällen den Spielablauf inszeniert hatte: Ein Junge musste im Fach „Heimatkunde“ über „Mesum zwischen 1750 und 1875“ das Erlernte rekapitulieren. So ganz nebenbei erfuhr dabei dann der Zuschauer alles über den Stückinhalt, die Notwendigkeit des Kirchbaues damals. Fortan war das Publikum mitten drin im Geschehen und zurückversetzt um 125 Jahre.
Ein bühnentechnisch gelungener Kunstgriff war die Szene zum Tode von Pfarrer Pelle im Jahr 1882: Im Schattenspiel tauchten schemenhaft zwei Personen auf, die wie an einem Grab über die Verdienste des Verstorbenen redeten: „Er hat viel getan für Mesum.“ Dazu stimmte der Kirchenchor im Hintergrund mit „Näher mein Gott zu dir“ die passende Trauermusik an. Mehr als eine optische Bereicherung war der zauberhafte Auftritt von 16 kleinen Tänzerinnen und ihrer Gesangssolistin Jette Hesselmann aus dem Maxi-Chor, die als „Feen der vier Jahreszeiten“ im Kirchgang tanzten und sangen. Ihre Botschaft war damit deutlich vernehmbar: „Die Zeit ist da, die Zeit ist reif“. Gemünzt war dies auf die Zeit für einen Kirchbau.
Peter Bruning, ein gekonnter Regieeinfall, reihte als Erzähler die einzelnen Bilder aneinander, vermittelte kurzweilig zum inhaltlichen Verständnis notwendiges Hintergrundwissen und stellte die historischen Akteure, auch mal humorvoll mit ihren Charaktereigenschaften, vor. Etwa in der Kirchenvorstandssitzung mit den damaligen Honoratioren wie Rentier Engeln (Bernhard Heeke) und Wirt Wenzeslaus Mense (Alfons Deitermann) in eben seinem Gasthaus „Zur Linde“ am Tresen, als Finanzierung und Grundstückskauf problematisiert wurden. Einen ganz starken Auftritt hatte anschließend Michael Wältring als neuer Pastor Bisping mit einer donnernden Predigt von ganz hoch oben auf der Orgelbühne mit der frommen Botschaft: „Mit Gottes Hilfe werden wir den Kirchbau schaffen!“ Der Kirchenchor begleitete mit seiner wiederholten Backgroundmusik neben anderen auch die Szene mit dem Treffen zweier Kollektanten: „Wem Gott will rechte Gunst erweisen, den schickt er in die weite Welt!“ Gekonnt unterstützt wurde der Chor von den Instrumentalisten Elisabeth Wilp (Violine), Beate Ott (Querflöte) und Hermi Sürken (Akkordeon).
Sehr gelungen umgesetzt wurden in der zweiten Musicalhälfte wichtige Phasen des Kirchbaues, von denen es in Wirklichkeit leider keine Bilddokumente gibt: Per Digitaltechnik entstand auf einer hohen Leinwand nach der kurzen Grundsteinlegung durch Weihbischof Cramer (Bernhard Bruning) nach und nach das Bild der fertigen Kirche. Dann folgte die Kirchweihe in einer starken Schlussszene, in der Bischof Dingelstadt (Rainer Schürmann) festlich gewandet, geleitet vom Pfarrer Bisping und Messdienern mit alten Kirchenfahnen, feierlich zum Lied „Großer Gott“ in die (neue) Kirche einzog.
Etwas von der „Sehnsucht“ der damaligen Mesumer erahnten die Zuschauer im gleichnamigen Abschlusslied, das von Susann Kampling getextet und in Musik gesetzt wurde. Es bringt, schwungvoll in Rhythmus, Melodie und mit eingängigem Refrain, alle Songvoraussetzungen dafür mit, demnächst so etwas wie ein „Mesum-Hit“ zu werden, der überall gesungen wird. Am Sonntagnachmittag jedenfalls sangen die Besucher nach nur kurzem Eingewöhnen schnell und kräftig mit.
„Das Musical hat toll aufgespürt und deutlich gemacht, wie die Leute damals lebten und was sie dachten“, war Pfarrer Felix Schnetgöke am Ende noch sichtlich vom gerade Erlebten. Es tue gut, einmal zu erleben, wozu eine intakte Gemeinschaft fähig sein kann. Sein Dank galt der gesamten Spielschar, „in der ich manche Talente entdeckt habe“, den Technikleuten und allen Helfern für eine tolle Leistung. Besonderes Lob fand er für Susann Kampling für ihr herausragendes Werk. Dafür gab es von ihm Blumen in Namen der Pfarrgemeinde und immer wieder donnernden Applaus.

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