70 Jahre danach: Vertreibung und Integration in Elte

Zu einer besonderen Veranstaltung hatte die Frauengemeinschaft Elte am Donnerstag ins Gemeindezentrum eingeladen. „70 Jahre Vertreibung und Integration in Elte“ lautete die Überschrift. Würde das Thema nach so langer Zeit noch Interessenten finden? Überrascht waren die Organisatorinnen dann über den großen Andrang, denn schnell füllte sich der Saal mit über 30 Besuchern von 22 bis 95 Jahren.

Christa Overesch, die die Idee zu diesem Abend hatte, begrüßte besonders den Bruder des verstorbenen Bildhauers Joseph Krautwald, Ernst Krautwald. Christa Overesch hatte die Bronzeskulptur „Die Flucht“ von Joseph Krautwald mitgebracht.

Grundlage für die Berichte des Abends waren die Erzählungen der Schriftenreihe „Rheine Gestern-Heute-Morgen“. In der 57. Ausgabe im Jahre 2006 war das Thema „Vertreibung und Integration in Elte“ aufgearbeitet worden.

Der Bericht von Gerda Lammerskitten wurde von Marion Piepel vorgelesen. Frau Lammerskitten war mit ihrem Mann Alfred gekommen. Während des Vortrags merkte man ihr deutlich an, wie die Geschehnisse von vor über 70 Jahren sie immer noch mitnahmen und wie sie in die Erinnerung versank. Knapp zwölf Jahre war Gerda alt, als sie mit ihrer 82jährigen Großmutter, Mutter und Schwester aus dem Dorf Altlomnitz/Schlesien vertrieben wurde. Mitnehmen durften sie nur was sie tragen konnten.

Christa Overesch machte sich mit ihren Großeltern, ihrer Mutter und ihrer Schwester auf den Weg ins Ungewisse. Sie war damals zweieinhalb Jahre alt!

Angekommen sind alle in Elte, wo die Familien in unterschiedliche Unterkünfte verteilt wurden, meist bei anderen Familien. War zunächst die Hoffnung groß, irgendwann die die Heimat nach Schlesien zurückkehren zu können, begannen die Familien langsam mit der Eingewöhnung und dem Bau von Häusern. Die Lehrerin in der Dorfschule, Fräulein Micheel, lies die Kinder westfälische und schlesische Gedichte lernen, die Christa Overesch bis heute nicht vergessen hat. Das schlesische Gedicht konnte sie noch auswendig aufsagen.

Aber auch andere Zeitzeugen waren an diesem Abend nach Elte gekommen und sofort begann ein lebhaftes Erzählen. Manfred Elsner wurde mit seiner Mutter aus Löwenberg/Kreis Liegnitz vertrieben: „Ich konnte als neunjähriger Junge das Sparbuch unserer Familie retten, ich hatte es in meiner Mütze versteckt, da wurde es beim Durchsuchen nicht gefunden.“

Eine Dame aus Rheine hatte ihren Enkel mitgebracht, denn ihr ist es wichtig, dass auch die junge Generation an den Erinnerungen der Großeltern teilhat.

Nach dem Ende des offiziellen Teils gab es viele Fragen an die Zeitzeugen und es ergaben sich lebhafte Gespräche, auch über die Reisen, die später in die „alte Heimat“ unternommen worden waren. 1986 war Christa Overesch mit ihrer Mutter in Schlesien. Anna Langer zog auf der Rückfahrt folgendes Fazit: „ Ich habe auf dieser Reise viel gesehen und Schlesien ist meine Heimat, aber leben möchte ich hier nicht mehr; Elte ist meine Heimat geworden!“ Bericht: Marion Piepel, Fotos: I. Rennemeier

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