Fragen zur Zukunft der Friedhofslinde(n)

Mesum Vor wenigen Tagen entfernten städtische Arbeiter auf dem Friedhof die letzten Reste der rechten Friedhofslinde. Mühsam war ihre Arbeit nicht, denn der uralte Baum war völlig vermodert und fiel morsch auseinander. Seitdem klafft dort ein Lücke, die ein ungewohntes Bild ergibt: Zu sehr hatten sich die Mesumer an den Anblick der einst stolzen Linden gewöhnt, die zudem lange Zeit als Naturdenkmal geschützt waren. Ihr Alter war schwer einzuschätzen, dürfte aber einige Jahrhunderte betragen. Ein schweres Sturmtief setzte ihnen dann zuletzt im Frühjahr 2018 so zu, dass große Äste ausbrachen und sie weit zurückgeschnitten werden mussten. Vor allem vom rechten Baum blieb nur noch ein trauriger Torso, der letztlich nicht zu retten war.

Zu diesem Problem kam alsbald ein zweites Anliegen mit der Schließung des Friedhofspädken, das von den Linden gesäumt wird und für dessen Erhalt sich insbesondere der AK „Ortsgestaltung Mesum“ vehement einsetzt. Die Geschichtswerkstatt Mesum (GWM) untersuchte dazu die historische Entstehung, Entwicklung, Tradition und Geschichte dieser liebenswerten ortstypischen  Verkehrsverbindung, die schon im Mittelalter entstand (die MV berichtete).

Nun befasste sich die GWM abermals aktuell mit dem Thema, allerdings unter dem Schwerpunkt „Geschichte und Zukunft der Friedhofslinden“. Diese sind von außergewöhnlicher Bedeutung für die lokale Geschichte der (Kirchen)Gemeinde, die an dieser Stelle hier allerdings nur skizziert werden kann. Linden waren am und auf dem Friedhof zu allen frühen Zeiten markante Solitärbäume, deren Standorte in alten Karten am westlichen und südlichen Friedhofseingang verzeichnet sind. Sie stehen jeweils in Verbindung mit einer Kapelle. Möglicherweise war jene am Südtor, von der es nur noch Überlieferungen gibt, nur ein auffallender Bildstock oder aber gar ein kleines Beinhaus. Aber dazu fehlen weiterführende schriftliche Unterlagen.

Detaillierter ist das Wissen um die beiden Linden am Westtor unmittelbar vor der alten Kirche. Zwischen ihnen stand über Jahrhunderte ein kleines Gebetshäuschen mit dem Andachtsbild der schmerzhaften Gottesmutter, das noch in alten Fotos dokumentiert ist. Im Lauf der Zeit bedrängten die beiden expandierenden Linden die Kapelle jedoch immer stärker und zerquetschten sie, so dass sie 1941 als baufällig abgerissen und durch ein Holzkreuz ersetzt werden musste, das 1942 der Künstler Heinrich Bäumer aus Münster schuf. Auch dieses Kreuz drohte in jüngster Zeit von den Bäumen zerdrückt zu werden. Die barocke Pieta, ein kunsthistorisch bemerkenswertes Vesperbild, das vermutlich 1812 aus dem Franziskanerkloster aus Rheine nach Mesum kam, fand daraufhin in der alten Kirche einen neuen Platz. Die kleine Kapelle war noch im 19. Jahrhundert der Ausgang eines alljährlichen Gebets- und Bittganges, der als „Sunne-Janns-Proßjone“ (Johannes-Prozession) am Sonntag nach dem 24. Juni, dem Johannes-Fest, durch die Felder und das Dorf führte und der 1761 erstmals erwähnt wird. Die Prozession wurde erst in neuerer Zeit von der Pfarrgemeinde eingestellt.

Über die herausragende Bedeutsamkeit des historischen Ensembles aus Linden und Kapelle/Kreuz in und für Mesum wird es kaum Meinungsverschiedenheiten geben. Auch nicht darüber, dass es unbedingt zu erhalten ist. Aber wie dies zu geschehen hat und wie es dort in Zukunft aussehen kann, dazu sollte nach Meinung der GWM frühzeitig eine öffentlichen Diskussion starten. Das gilt vor allem für Kirchengemeinde und Stadt als Hauptbeteiligte und interessierte Gremien und Vereine. Denn es gibt bei der Um- bzw. Neugestaltung der Eingangssituation am Friedhof nach Einschätzung der GWM für Entscheidungen und Lösungen verschiedenen Möglichkeiten und mehrere Optionen:

– Zum einen könnte das Gesamtbild weitgehend bleiben, wie es augenblicklich ist: Die linke, optisch zwar auch mächtig gestutzte Linde wird allein erhalten unter der Voraussetzung, dass sie weiterhin gesund ist. Die Lücke neben dem Kreuz wird nicht wieder bepflanzt, um dem Bildstock optisch mehr Raum und Geltung zu verleihen. Denkmalpflege würde hier verstanden als Erhalt des Status quo.

– Zur alten Linde wird als Pendant an genau alter Stelle eine zweite, junge Linde gepflanzt, so dass das bekannte Ensemble Linden/Kreuz wiederhergestellt wird  – wenn auch unterschiedlich von Größe, Aussehen und Alter.

– Der noch stehende Baum wird ebenfalls gefällt und es gibt eine komplette Neuanpflanzung mit zwei jungen Linden. Denkmalpflege würde dabei umgesetzt als eine möglichst originale Rekonstruktion der historischen Situation.

– Das Friedhofspädken behält, so weit wie im Verlauf möglich, sein Aussehen mit beidseitigen Hecken und wird neu vor Linde(n) und Kreuz eng vorbeigeführt. Denn beider Standort befindet sich nach jüngsten Vermessungsergebnissen dafür mit ausreichendem Raum auf städtischem Grund und gehört flächen- und eigentumsmäßig nicht zum Friedhof. Der neue Wegverlauf wird eingehegt (Hecke, und/oder Zaun mit Zugang zum Kreuz) und mit einer Öffnung zur Alten Kirchstraße angelegt.

– Es sollte letztendlich ein Gremium/Verein, etwa der Stadtteilbeirat, gefunden und beauftragt werden, in dem alle notwendigen Vorbereitungen, Beratungen und Entscheidungen koordiniert und wo Umsetzung und Ausführung begleitet werden. Bericht und Bilder: Franz Greiwe; siehe auch MV-online.de

Der Fest der linken Linde steht nur noch als Torso
1974 zeigten sich die beiden Friedhofslinden noch in alter Pracht und Größe
Nach dem Entfernen der letzten Reste der zweiten Linde blieb nur noch einer der alten Bäume bildwirksam stehen
Bis 1941standen zwischen den Friedhofslinden eine kleine Kapelle mit barocken Vesperbild
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