Über altes und neues Brauchtum zu Weihnachten in Mesum

Das Christkindeinläuten

Diesen Brauch beschreibt die Mesumer Brauchtumsforscherin Luise Achterkamp (1915-2000) genauer: „Vor Jahrzehnten ging in unserem Dorf Mesum alles viel ruhiger und gelassener zu als heute. (…) Einmal im Jahr bereitete das Läuten besonders viel Freude, wenn in der Nacht vom 23. zum 24. Dezember von ein bis zwei Uhr das Christfest eingeläutet wurde. Kurz nach Mitternacht sprangen die Buben aus den Betten und eilten durch die nächtlichen, verlassenen Straßen, häufig bei heftigem Schnee und Sturm, zur Kirche. Dort erwartete sie der Küster, der mit seinem großen Schlüssel die Kirche aufschloss. Nur flüsternd hasteten sie die ersten Stufen hinauf bis zum ‚Üorgelbüenn‘. Scheu warfen sie einen Blick von dort in die schweigende Dunkelheit des stillen Kirchenschiffes. Hinter dem Üörgelbüenn wand sich eine Wendeltreppe nach oben. Das spärliche Licht warf ihre Gestalten schemenhaft wie Schatten an die Wände. Endlich oben angelangt riskierten die Jungs einen Blick durch die Holzluken auf die Dächer des schlafenden Dorfes.“

Und dann begannen sie die Glocken zu läuten. Wie jene wundersam vom hohen Kirchturm über das Dorf erklangen und was sie dabei „voller Inbrunst sangen“, hat Luise Achterkamp ermittelt und festgehalten: „Bimmele, bammele, dat Chrisskind kümp dranne. Wo kümp et denn dranne? Bi Stiäkers Heck, bi’n Krusen Baum.“ Dem überlieferten Vers nach kam für die Mesumer das Christkind von Süden her aus der Richtung, wo das Heilige Land liegt, ins Dorf, wo es einen Augenblick vor dem Ortseingang verweilte, genau bei den „Krusen Bäumen“, von denen heute nur noch eine mächtige Eiche erhalten blieb. („Stiäkers Heck“ ist eine Flurbezeichnung aus der südlichen Bauerschaft Albrock)

Für Christiane Cantauw von der Volkskundlichen Kommission für Westfalen in Münster ist „unter ‚Vorabend‘ des Weihnachtsfestes der Heiligabend zu verstehen. Da gibt es nichts auszudeuten und zu definieren! Das heißt, das Läuten machte auf die ‚heiße Phase‘ der Vorbereitung des Weihnachtsfestes aufmerksam. Unter dieser Vorbereitung verstand man strenges Fasten (kein Fleisch, kein Alkohol, nur zwei Mahlzeiten am Tag, keine tierischen Fette). Außerdem war der Tag für Buße und Beichte sowie für die Hausweihe reserviert.“ Das Datum bestätigt auch der Volkskundler Hermann Reckels in der „Schriftenreihe des Steinfurter Heimatbundes“ (Band 1: Volkskunde des Kreises Steinfurt“ auf Seite 219) von anderen Gemeinden: „Das hochheilige Weihnachtsfest selbst wird am Vorabend feierlich eingeläutet.“ Ob damit in Mesum, wie Christiane Cantauw vermutet, ein anschließender „Heischegang der Läutejungen“ verbunden war, ist nicht überliefert. Möglicherweise „erheischten“ sie, wie das um die Wende zum 20. Jahrhundert anderenorts war, anschließend verkleidet als „Christkind“ einen Lohn für das Läuten. (Ähnliches war früher mit mancherlei Brauchtum verbunden. Man denke da nur an das Eier- und Würsteaufholen zu Ostern und Karneval.)

Der Brauch des Christkindeinläutens geriet für einige Jahre in Vergessenheit, ehe ihn der frühere Küster Bernhard Bügers wieder einführte und neu definierte: Läuten in der Nacht vom 23. auf den 24. Dezember nur von 2 bis 2.15 Uhr. In dieser Form wird er auch in diesem Jahr wiederum durchgeführt und zu hören sein. Zu hinterfragen wäre, ob und wie man diesen historischen Brauch in zeitgemäßer Form mit neuem Leben erfüllen und damit vertieft an den früheren Sinn heranführen kann.

Tradition der Christmette mit neuem Angebot

Eine uralte christliche Tradition ist auch die „Ucht“. Damit bezeichnete man einst in der katholischen Kirche am ganz frühen Weihnachtstagmorgen den ersten und besonders feierlichen Gottesdienst. Das alte Wort „Ucht“ meint eigentlich „Dämmerung“ und „Uchtwerk“ beschrieb in alter Zeit „eine Arbeit in der Dämmerung“. Noch viele Jahre nach dem letzten Krieg begann in Mesum die Ucht traditionell um 5 Uhr. Wer dabei sein wollte, stand schon eine halbe Stundevorher in völliger Dunkelheit inmitten einer schweigenden Menge vor der Kirche an, um dann still den ebenfalls dunklen Kirchenraum bis auf den allerletzten Stehplatz zu füllen. Schon der Hinweg war vor allem für die Kinder ein erlebnisreicher und zugleich etwas unheimlich anmutender Gang durch nur von Mond und Sternen beleuchtete Straßen mit leise murmelnden Kirchgängern aus allen Richtungen. In neuerer Zeit hat die Christmette als Feier der Geburt Jesu längst einen neuen Zeitpunkt gefunden: Am Heiligabend bereits um 21 Uhr.

In diesem Jahr bietet die Pfarrgemeinde St. Johannes der Täufer den Gläubigen eine etwas andere, alternative Form der Christmette und knüpft an den alten Brauch der „Ucht“ an: Sie lädt dazu am Heiligabend um Mitternacht in die alte Kirche ein, um zu gedenken: Mitten in der Nacht wird Gott Mensch! Die Feier wird geprägt sein von modernen Texten und dem A-capella-Gesang der weihnachtlichen Lieder der Besucher, die sich einmal auf andere Weise auf das Fest einstimmen möchten. Sie sollten sich allerdings auf die Kühle in der Kirche, die zum Ablauf dazu gehört, mit einer Decke oder einem heißen Getränk vorbereiten. Das hilft, in dieser Stunde die Augen nicht davor zu verschließen, dass viele Menschen Weihnachten 2015 in ganz anderen Umständen feiern müssen.

Weihnachtsständchen am Heiligabend mit neuer Ablauffolge

Fragt man die Musiker des Musikzuges der Feuerwehr aus Mesum, wie lange sie den Brauch des Weihnachtsständchens am Heiligabend schon ausüben, dann heißt die Antwort: Seitdem es die Feuerwehrkapelle gibt und damit seit mehr als 100 Jahren. In diesem Jahr ändert sie erstmals die Ablauffolge: Um 14.50 Uhr treffen sich die Musiker am Feuerwehrhaus, um ihre Auftritte um 15.25 Uhr an der Hasenhöhle zu beginnen. Dann geht es um 15.45 Uhr zum Altenwohnheim Mathias-Stift, wo sie im Foyer und in den einzelnen Wohnbereichen ihre Weihnachtslieder spielen. Danach setzen sie ihre Rundfahrt durch Mesum fort und musizieren um 16.10 Uhr an der Franz-Sellhorst-Straße, um 16.30 Uhr am Prozessionsweg, um 16.50 Uhr am Ploogweg, um 17.10 Uhr am Dannenkamp, um 17.25 Uhr an der Bürgerstraße und enden wie stetes um 17.50 Uhr auf dem Kirchvorplatz mitten im Dorf.

Festliche Weihnachtsmusik gibt es auch in der Pfarrkirche mit dem Mini- und Jugendchor Rheine-Süd um 15.30 Uhr in der Krippenfeier und mit dem Maxichor im Familiengottesdienst um 17 Uhr am Heiligabend. Der Kirchenchor gestaltet am Weihnachtstag um 11 Uhr den Festgottesdienst, während die Feuerwehrkapelle am zweiten Festtag um 8 Uhr den Festgottesdienst begleitet.

St. Johannes Bapt. um 1900
Die Kirchenglocken von St. Johannes Bapt. Mesum
Der Mesmer Männerchor im Mathiasstift
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