„Durchkreuzt leben“ – Aktuelles Thema für Fastenzeit und Ostern

Kreuzberg in St. Mariä Heimsuchung, Hauenhorst
Kreuzberg in Hauenhorst

Selten bot sich ein Thema für die Ostergeschichte so hautnah und aktuell an wie in diesem Jahr; begründet im Wort, das die Pfarrgemeinde St. Johannes der Täufer als Aktion für die Fastenzeit und Ostern wählte: „Durchkreuzt leben“. Bildkräftig und aussagestark wurde es umgesetzt in allen drei Kirchen in St. Ludgerus Elte, St. Mariä Heimsuchung Hauenhorst und in der Pfarrkirche St. Johannes Bapt. in Mesum. Errichtet wurde jeweils im Chorraum vor dem Altar ein Kreuzberg, symbolhaft aufgeschichtet aus Sand als Kalvarienberg. War er eingangs noch leer, so beteiligten sich alsbald viele Gemeindemitglieder an der Gestaltung und bestückten ihn mit Kreuzen. Viele davon als ihr persönliches Zeichen für einen „durchkreuzten, leidvollen Weg im Leben“.

Die Idee zur Aktion wurde im Pastoralteam entwickelt, inspiriert vom „Berg der Kreuze“ in Litauen, wo seit mehr als 100 Jahren Kreuze aller Art im Gedenken an unzählige Opfer von Gewalt, Unterdrückung und Terror errichtet werden. Die Stätte ist seit Jahren längst ein bekannter Wallfahrtsort. Es sei schon eindrucksvoll, so Pastor Hüwe über seine täglichen Erfahrungen mit den Kreuzbergen, „wie immer mehr Menschen ihr Kreuz im wahrsten Sinne“ in die Kirche trugen, weil ihr Leben „durchkreuzt“ wurde.

Kreuzberg in St. Ludgerus, Elte
Kreuzberg in Elte

Immer wieder zeigten sich darum Besucher und Kirchgänger beeindruckt, einige gar betroffen, von der Vielfalt und Vielzahl der dort abgelegten Kreuze.

„Darunter sind die vielfältigsten Darstellungen und Arten wie überlieferte Familienkreuze, geschenkte Kreuze, schlichte Kreuze der Trauer, erkennbar historische Kreuzdarstellungen, wie sie seit Generationen in jedem Haus und Schlafzimmer hingen, und von Kinderhand gebastelte farbenfrohe bunte Kreuze“, beschreibt Küster Udo Mogdans, was in Wochen zusammengetragen wurde. Alle unterscheiden sich durch Individualität, in Materialien und Größe zwischen zwei Zentimetern und einem Meter. Für ihn sind sie „ein Spiegel unseres Glaubens, aber auch ein Symbol für Loslassen.“ Damit verweist er auf besondere Exemplare von Versehkreuzen, die zum Teil zusammenlegbar sind und im Innern zwei Kerzen sowie kleine Behälter mit Weihwasser und heiligem Öl enthalten. Sie legen damit Zeugnis davon ab, dass sie bereits über Generationen den Familien in schweren Stunden dienten und heute zu wichtigen Dokumenten früherer Volksfrömmigkeit und praktizierter Glaubensüberzeugung werden.

Küster Udo Mogdans mit den drei Reliquienkreuzen vor dem Kreuzberg in der Mesumer Pfarrkirche
Reliquienkreuze in der Mesumer Pfarrkirche

Drei kleine Kreuze hebt Udo Mogdans besonders hervor, die er in der Menge entdeckte: „In Mesum sind inzwischen über 80 Kreuze abgegeben und es werden täglich mehr.“ In seiner Hand hält er drei Reliquienkreuze. Jedes hat einen feinen Verschlussmechanismus. Damit öffnet sich in einem Fall ein 12 Zentimeter großes metallenes Kreuz, silberfarbig mit schwarzem Vordergrund und Korpus aus Metall und gibt kleine Reliquienkammern frei, die mit den Namen von Heiligen beschriftet sind: Franz und Clara von Assisi, Pius X., Ursula, Bruder Jordan und Colesta. Die Geschichte dieser Form der Kreuzverehrung, auch wohl als Sterbekreuze verwandt, reicht bis vor 1700 zurück. Viele sind heute als Antiquität gefragt, zumal sie neben dem oft hohen ideellen Wert noch wertvolle künstlerische Ausstattungen besitzen.

Für Pastor Hüwe und Küster Mogdans steht damit fest, dass „jedes Kreuz seine ganz eigene, tiefreichende Geschichte hat, weil hinter jedem Kreuz ein Mensch, eine Familie, ein Anliegen steht.“ Die Kreuze auf den kleinen Bergen in den drei Kirchen sind unübersehbare Symbole für Hindernisse, die Lebenswege „durchkreuzten“ und damit Zukunftserwartungen zunichtemachten, zum Innehalten und Nachdenken zwangen, Ziele überdenken ließen, die Fragen stellten nach dem Warum und wie es weitergehen soll, ob alles bisher vergeblich war bis zur Entscheidung: Welche Lebensbotschaft ist in mein Kreuz geschrieben?

Dahinter stehe, mal weniger und mal lauter vernehmbar, eine Botschaft, so Pastor Hüwe. Da spüre man in einem Kreuz die Empörung über die jüngste Verlautbarung aus dem Vatikan, die mit schwarzer Schrift auf einem Holzkreuz in unmissverständlicher Klarheit vermerkt ist: „So nicht! Ich plädiere für die Segnung gleichgeschlechtlicher Paare. Ich bin empört.“ Für Pastor Hüwe eine deutliche Botschaft, denn hier werde mit dem Verbot „der Lebensweg von zwei Menschen durchkreuzt.“ Beeindruckend ist auch ein anderes, ganz schlichtes Beispiel: Hier hat jemand den Text des Glaubensbekenntnisses in Kreuzform ausgerissen und abgelegt.

Tief empfundene Anliegen sieht Pastor Hüwe hinter allen Kreuzgaben und weiteren Devotionalien wie Rosenkränze, Palmzweige und Weihwasserbecken: „Viele Menschen scheuen sich, solche vertrauten und geweihten Gegenstände einfach wegzuwerfen oder mit schlechtem Gewissen in der Mülltonne zu entsorgen. Daher wird dankbar diese Möglichkeit der auch anonymen Abgabe in den Kirchen angenommen.“ Über deren Verbleib und würdige Weiterverwendung sei weitgehend entschieden: Die Sandberge mit den Kreuzen werden noch eine Weile in den Kirchen bleiben und über die Feiertage in die Osterliturgie einbezogen, ergänzt durch das Bild eines leeren Grabes als Zeichen für den auferstandenen Christus. Bis zum 14. September gehe dann die Kreuzsammlung weiter. Dann sei geplant, im Herbst, „wenn es die Situation wieder erlaubt“, in der Kapelle auf dem Mesumer Waldfriedhof eine Ausstellung ausgewählter Exemplare und deren Geschichte zu organisieren. Ferner denke man daran, einen Teil der Kreuze für die Rumänienhilfe zu spenden oder als Grabbeigabe zu nutzen.

„Durchkreuzt“ werden auch Brauchtum und die überlieferten Abläufe der Feiertage und der Osterliturgie in den Plänen der Pfarrgemeinde, verwies Pastor Hüwe auf einen besonders aktuellen Bezug zum Thema: „Der traditionelle Kreuzweg am Morgen des Karfreitags in Mesum muss leider ausfallen.“ Angesichts der jüngsten Entwicklungen in der Corona-Pandemie könne man es nicht verantworten, den Kreuzgang in gewohnter Form mit vielen Teilnehmern durchzuführen, der damit bereits zum zweiten Mal hintereinander nicht stattfinden kann. Stattdessen lud er die Gemeindemitglieder ein, allein den Kreuzweg zu gehen oder in der Kirche zu beten. Ebenso habe man entschlossen, das Osterfeuer für den Ostersonntag abzusagen, was sicherlich vor allem die Familien mit ihren Kindern bedauern. Auch in den Filialkirchen St. Ludgerus und St. Mariä Heimsuchung stießen die Kreuzberge auf große Resonanz. Bericht und Bilder: Franz Greiwe; siehe auch mv-online.de

Unter den abgelegten Kreuzen waren verschiedene Versehkreuze, wie sie früher in den Familien verwendet wurden
Das aufgeklappte Reliquienkreuz mit den kleinen beschriften Kammern im Innern
Küster Udo Mogdans mit den drei Reliquienkreuzen vor dem Kreuzberg in der Mesumer Pfarrkirche
Kreuzberg in St. Mariä Heimsuchung in Hauenhorst
Kreuzberg in St. Ludgerus, Elte
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